Der Alltag einer BAföG-Sachbe­arbeiterin

D. Uhlenbrock berichtet über Aufgaben und Herausforderungen im BAföG-Amt.

 

Zur Person: Frau D. Uhlenbrock feiert im September 2019 ihr zehnjähriges Jubiläum als BAföG-Sachbearbeiterin beim STUDIERENDENWERK. Vor ihrer Tätigkeit im BAföG-Amt war die gelernte Sozialversicherungsfachangestellte in einer Kanzlei für Steuerrecht und Insolvenzen beschäftigt. Doch fehlte ihr langfristig der tägliche Umgang mit Menschen. Daran mangelt es ihr beim STUDIERENDENWERK nicht.

Im letzten Jahr bezogen weniger als ein Fünftel der fast 2,8 Millionen Studierenden in Deutschland BAföG. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Das will die Bundesregierung durch eine Novellierung in 2019 ändern. Was bedeutet die Reform für Sie als Sachbearbeiterin?

Eine Menge Arbeit. Aber die Reform ist längst überfällig. Das BAföG wurde seit 2016 nicht erhöht und davor haben die Bedarfssätze zehn Jahre lang stagniert. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungs- und Wohnkosten für Studierende aber immer weiter gestiegen. Mit der Reform in 2019 sollen die BAföG-Bedarfssätze angehoben werden. Es wird am Grundgerüst geschraubt. Das bedeutet für uns, dass wir jede Akte anfassen müssen. Alle Studierenden, die gemäß BAföG gefördert werden, erhalten einen neuen Bescheid. Allein das Abheften aller Bescheide kann ein bis zwei Monate in Anspruch nehmen.

Viele Studierende können sich den enormen Arbeitsaufwand nicht vorstellen: Für sie ist es ein einziger Bescheid, für uns im BAföG-Amt sind es pro Sachgebiet momentan etwa 800 Bescheide. Hinzu kommt, dass die Novelle zum Wintersemester in Kraft tritt. Dieser Zeitraum ist auch ohne Reform die arbeitsintensivste Zeit im Jahr. Ab August, wenn die ersten Zulassungsbescheide der Hochschulen eintreffen, werden wir mit einer Fülle an Erst- und Weiterförderungsanträgen überflutet. Überstunden sind vorprogrammiert. Seine Weihnachtsgeschenke sollte man ohnehin bis September frühzeitig zusammen haben [lacht].

Trotz stressiger Phasen feiern Sie in diesem Jahr Ihr zehnjähriges Jubiläum als BAföG-Sachbearbeiterin. Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Job?
Mir gefällt vor allem, dass mein Job vielfältig und abwechslungsreich ist. Ich arbeite auf der einen Seite mit Gesetzestexten und Zahlen, auf der anderen Seite habe ich viel Kontakt mit jungen Menschen. Das ist sehr erfrischend und hält jung. Daher nehme ich immer gerne an den Erstsemesterbegrüßungen teil. Hier komme ich unmittelbar mit den neuen Studierenden ins Gespräch und kann erste Hürden hinsichtlich des BAföG-Amts abbauen. Wir sind alles andere als ein altes, verstaubtes Amt. Davon sind viele überrascht.

Stichwort Bürokratie: Das BAföG ist eine komplexe Angelegenheit. Mit welchen Anliegen kommen die Studierenden am häufigsten zu Ihnen?

Nach 10 Jahren BAföG-Beratung kann ich sagen, die Anliegen haben sich mit der Zeit kaum verändert. In der Konsequenz ist das nur logisch, denn die meisten jungen Menschen werden mit Aufnahme ihres Studiums zum ersten Mal mit dem Erwachsenwerden konfrontiert. Da ist klar, dass die Frage nach der Existenzsicherung eine zentrale Rolle spielt und viele Unsicherheiten im Raum stehen. Auch wenn ich die Fragen schon auswendig kenne, versuche ich mir das immer wieder bewusst zu machen. Wir begleiten junge Menschen auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben.

Am häufigsten gefragt wird, ob überhaupt Anspruch auf BAföG besteht. In der Regel sind erst einmal alle Studierenden unter 30 Jahre berechtigt gemäß dem BAföG gefördert zu werden, wenn sie ihr Bachelorstudium an einer deutschen Hochschule aufnehmen. Dann muss man weitersehen: Wie viel Einkommen und Vermögen besitzt die Studentin oder der Student? Wie hoch ist das Einkommen der Eltern? Haben sie Geschwister?

BAföG ist und bleibt von Fall zu Fall individuell. Es gibt keine Pauschalantworten. Selten gefragt, aber gerne gewusst: Darf ich mit meiner Partnerin oder meinem Partner zusammenziehen? Viele Studierende haben Sorge, dass sie mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner eine sogenannte „Bedarfsgemeinschaft“ bilden und dementsprechend aus der BAföG-Förderung fallen. Um dieses Thema wird in der Beratung oft herumgedruckst. Doch ist die Angst unberechtigt – solange sie nicht verheiratet sind, ist das Einkommen des Partners/der Partnerin nicht zu berücksichtigen.

Wie lange braucht es im Schnitt, einen BAföG-Antrag zu bearbeiten?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Nehmen wir an, ein Antrag ist vollständig und landet gut zwei Tage vor Eingabetermin beim Rechenzentrum auf meinem Schreibtisch, dann kann es sein, dass die Studentin oder der Student noch im gleichen Monat Geld auf dem Konto hat. Es kann aber auch bis zu fünf Monate dauern, wenn Informationen und Nachweise fehlen und diese vom Studierenden/der Studierenden oder den Eltern/einem Elternteil schleppend oder gar nicht eingereicht werden und wir zum Beispiel von Amts wegen entsprechende Angaben und Informationen selber ermitteln müssen.

Auch der Zeitpunkt ist entscheidend. Durch die Antragsflut jeweils zu Semesterbeginn kann es zu einem Bearbeitungsstau kommen. Daher rate ich Studierenden immer, ganz gleich ob Erst- oder Folgeantrag, sich so früh wie möglich um die Antragsstellung zu kümmern. Schließlich ist für viele Studierende eine nahtlose Förderung zwingend notwendig. Miete, Strom und Gas müssen bezahlt werden. Mein Tipp ist, sich bei einem Erstantrag persönlich oder zumindest telefonisch beraten zu lassen. Oftmals wissen Studierende nicht, woher sie die notwendigen Nachweise wie z.B. einen Einkommenssteuerbescheid der Eltern bekommen sollen. Im Gespräch lassen sich solche Anliegen rasch klären.

Studierende aus aller Welt sind an der UDE, HRW oder Folkwang Universität eingeschrieben. Haben auch internationale Studierende einen Anspruch auf BAföG?

Ja, auch internationale Studierende haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf BAföG. Entscheidend ist der Aufenthaltstitel. Im §8 des BAföG-Gesetzes ist gelistet, welche internationalen Studierenden förderungsberechtigt sind - und das lang und umfassend. Aktuell füllt der Paragraph ganze vier Seiten. Gehören Studierende zu einer der gelisteten Personengruppen, so sind sie wie jede deutsche Staatsbürgerin und jeder deutsche Staatsbürger berechtigt, BAföG zu erhalten. Ob eine tatsächliche Förderung möglich ist, muss dann wie üblich anhand des Bedarfssatzes berechnet werden.

Um Sprachbarrieren abzubauen, empfehle ich auch hier einen persönlichen Besuch in der BAföG-Sprechstunde. Vor Ort können die nötigen Dokumente gleich geprüft und Daten gemeinsam eingetragen werden. Typischer „false friend“ ist z.B., dass internationale Studierende Vor- und Nachnamen verkehrt herum eintragen. Außerdem kann ich im Falle, dass eine BAföG-Förderung ausgeschlossen ist, Studierende an unsere soziale Beratungsstelle weiterverweisen.