"Es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse in den Fokus zu nehmen"

Interview mit Harald Kaßen, Bereichsleiter der sozialen und psycholigschen Beratung, über Leistunsdruck im Studium und unser Beratungsangebot.

Der Beratungsbedarf von Studierenden ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Mit welchen Themen kommen Studierende in die offene Sprechstunde?

Die Themen sind vielfältig, mitunter greifen auch mehrere Problemlagen ineinander. Neben Fragen zur Studienfinanzierung, Jobben, Aufenthaltsverlängerung internationaler Studierender oder Studium mit Kind begegnen uns vermehrt psychologische Themen. Oft geht es um Leistungsdruck oder Überforderung – zum Beispiel um die Angst vor mündlichen Prüfungen oder vor einem Drittversuch.

Auch das ständige Aufschieben notwendiger Tätigkeiten ist ein häufiges Phänomen. Neben studienbezogenen Anliegen sind aber auch persönliche Schwierigkeiten, wie Selbstwertprobleme, Verstimmungen oder Konflikte in der Familie oder der Partnerschaft Thema in der Beratung.

Wie kann die Beratung weiterhelfen?

Zu Beginn jeder Beratung klären wir zunächst das Anliegen und vereinbaren gemeinsam Beratungsziele. Unsere Aufgabe ist es, Unterstützung bei der Klärung der Lebenssituation und den aktuellen Problemlagen zu geben. Wir helfen den Studierenden dabei, die Situation mithilfe einer neuen Sichtweise zu sortieren und sich neu zu orientieren.

Wie geht es nach der ersten Beratung weiter?

In den Folgeterminen erarbeiten wir gemeinsam Lösungsansätze. Wir sind dabei unterstützend und prozessbegleitend tätig. Die Studierenden wirken selbst aktiv am Beratungsprozess mit. Wie viele Termine insgesamt nötig sind, entscheiden wir gemeinsam mit den Studierenden.

Aufgrund unserer guten Einbindung in ein fachliches Netzwerk, können wir Ratsuchende bei Bedarf an spezialisierte Einrichtungen verweisen oder in multiprofessioneller Zusammenarbeit mit diesen Institutionen, an einer Lösung arbeiten. Reicht unsere Beratung zur Bewältigung der akuten Schwierigkeiten nicht aus, unterstützen wir Studierende bei der Suche nach geeigneten Therapie- oder Behandlungsmöglichkeiten.

Welche Maßnahmen können bei der Prävention helfen?

Präventive Arbeit bedeutet, Studierende frühzeitig zu erreichen, bevor sich Problemlagen manifestieren oder ungünstige Entscheidungen getroffen werden. Wir leisten Präventionsarbeit durch Fachvorträge, Workshops und wirksame Öffentlichkeitsarbeit.

Trotz Prävention wird es aber immer so sein, dass Studierende in akuten Problemlagen unsere Beratung aufsuchen und sich Situationen oder Verhaltensweisen bereits verfestigt haben. Neben der Stärkung von Resilienz ist es dann wesentlich, gemeinsam mit den Studierenden ihre Gesamtsituation zu analysieren. Es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse wieder in den Fokus zu nehmen und anzuerkennen. Denn gerade in einer Gesellschaft, in der Leistung ganz hoch im Kurs ist, kann es hilfreich und manchmal notwendig sein, sich auf sich selbst zu besinnen.