Zwischen Hörsaal und Kita

Eine Reportage über das Studieren mit Kind

Emilia Ganeeva ist 30 Jahre alt und studiert im vierten Fachsemester Medizin an der Universität Duisburg-Essen. Ihr Sohn Ilian ist dreieinhalb Jahre alt und wird in der Kita Brückenspatzen betreut. Eine Reportage über den Spagat zwischen Hörsaal und Kita.

Medizin studieren und ein Kind haben – das ist für die meisten kaum vorstellbar. Für Emilia ist das Alltag. Vormittags paukt sie für das Medizinstudium, am Nachmittag kümmert sie sich um ihren Sohn. Erst wenn Ilian abends schläft, hat sie Zeit für sich und den Haushalt. 

Die Tage der 30-Jährigen Studentin und Mutter sind streng durchgeplant. „Das wichtigste am Tag ist das Zeitmanagement. Da bin ich auch noch nicht bei 100 Prozent.“ Seit rund einem Jahr ist Emilia alleinerziehend. Schon zu zweit war es nicht immer einfach, die Balance zwischen Familie und Studium zu halten.

10 Prozent der Studierenden mit Kind sind alleinerziehend

Emilia gehört zu den sechs Prozent der Studierenden in Deutschland, die laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks mindestens ein Kind haben. Von ca. 131.000 Studierenden mit Kind ist die Hälfte verheiratet, ein Drittel lebt in einer festen Partnerschaft und rund 10 Prozent sind alleinerziehend.

Wenn ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen abends auf Achse gehen, verbringt Emilia Zeit mit ihrem Sohn. Nicht gerade das klassische Studierendenleben, doch vermissen tut sie nichts. Die wenige freie Zeit, die ihr zur Verfügung steht, möchte sie so gut wie möglich mit Ilian nutzen. Dabei helfen auch die flexibleren Strukturen eines Studiums. Emilia kann sich ihre Zeit eigenständig einteilen, wodurch sie besser auf die Bedürfnisse ihres Kindes reagieren kann.

Sich nicht mit Kinderlosen Studierenden vergleichen

Doch ist der Druck im Studium, nicht zuletzt durch die Einführung des Bachelor- und Mastersystems, stark gestiegen. Regelstudienzeit, Bestnoten und wachsende Fremd- wie Eigenerwartungen sind Herausforderungen, mit denen schon kinderlose Mitstudierende zu kämpfen haben.

Davon muss Emilia sich abgrenzen: „Es ist okay, dass man nicht alles genauso schnell hinbekommt wie Studierende ohne Kind. Von Vergleichen sollte man Abstand nehmen, auch wenn das leichter gesagt als getan ist“, gibt die junge Studentin zu.

Studium mit Kind: kann das funktionieren?

Für das Studium mit Kind hat sich Emilia, die eigentlich gelernte OP-Schwester ist, bewusst entschieden. „Als sich der Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft in meinen alten Beruf schwierig gestaltete, habe ich für mich nach neuen Perspektiven gesucht.“

Doch war an ein Studium mit Kind zunächst nicht zu denken. Zu groß war die Sorge vor der Mehrfachbelastung. Studium, Kind und Haushalt auf der einen, und die finanzielle Belastung auf der anderen Seite. Wie sollte das funktionieren?

Wovor hast du Angst? Du wirst doch unterstützt!

„Durch Zufall habe ich eine alte Schulfreundin wiedergetroffen, die mit Kind studiert. Die sagte zu mir: Wovor hast du Angst? Du wirst doch unterstützt!“

Nach dem Treffen begann Emilia zu recherchieren und staunte nicht schlecht: hochschulnahe Kinderbetreuung, finanzielle Förderung durch BAföG und Kinderbetreuungszuschläge. „Ich habe immer gedacht, das kommt für mich nicht infrage, bis ich angefangen habe, mich zu informieren.“

Gute Kinderbetreuung ist das A und O

Insbesondere die Kinderbetreuung ist für studierende Eltern wie Emilia zentral: „Für mich ist es sehr wichtig zu wissen, dass der Kleine hier gut aufgehoben ist und sich wohlfühlt. Nur so kann ich mich voll und ganz aufs Lernen konzentrieren.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Studierendenwerks stehen bei Fragen und Problemen rund um die Kindererziehung und –entwicklung helfend zur Seite. Das entlastet die alleinstehende Mutter in ihrem Alltag.

Jedoch reicht das Angebot an Unterstützung nicht an allen Ecken. Neben dem Mangel an Kitaplätzen gehören finanzielle Sorgen zum Alltag vieler Studierender mit Kind. So überlegt auch Emilia, neben ihrem Studium einmal im Monat wieder als OP-Schwester zu jobben: „Dafür muss dann ein freies Wochenende her, wenn der Kleine beim Papa ist.“